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Anja Bagus

Anja Bagus – Autorin

Wie gehst du mit der aktuellen Situation um und wie geht es dir?

Für mich läuft eigentlich alles so weiter wie vorher. Ich arbeite ja schon lange von zuhause aus. Mein Kind ist 16 und recht selbstständig. Wir haben Glück und eine Wohnung mit Garten.
Eine Zeitlang hat mich aber das Leben in meiner zweiten Wohnung – facebook – verstört. Ich kann meistens trennen und verstehen, dass facebook ein Werkzeug ist, und benutze es auch so. Aber in Krisen sucht man Nähe und Konsens. Obwohl ich facebook auf meinem persönlichen Profil wie mein Wohnzimmer betrachte, wo meine Hausregeln gelten, und Leute, die sich schlecht benehmen, das zu spüren bekommen, musste ich mehr als sonst entfreunden. Ich bin immer öffentlich, ich nehme auch fast jede Freundschaftsanfrage an, aber dann fliegen die Leute eben auch schnell. Ich diskutiere da manchmal nicht mehr.
Sicher gibt es immer verschiedene Sichtweisen, aber es gibt auch den Spruch, dass jeder, der anderen etwas vorschreiben will, erst mal ne Weile in deren Schuhen gehen sollte. Lösungen und Strategien müssen individuell sein. Bei über 2000 „Freunden“ ist dann immer einer, der „Aber dies …“ oder „vergiss nicht das … “ ruft. Jedes Problem hat aber seine Zeit. Und die vergeht für jeden individuell.
Mir geht es also gut, wenn ich auf meine geistige Gesundheit achte: Probleme und das Nachdenken über Lösungen bekommt Zeit, aber auch Spaß und Ablenkung.

Welche Tipps und Empfehlungen möchtest und kannst du aussprechen, damit wir alle die Situation und unseren Alltag meistern?

Ich hab immer verschiedene Projekte. Wenn das eine nicht geht oder läuft, mach ich halt am anderen weiter. Ich war tatsächlich ein wenig unter Druck, da ich ein längeres Schreibprojekt fertig stellen muss. Normalerweise wäre jetzt die Zeit der vielen Veranstaltungen, auf denen ich präsent wäre. Das sind meist Wochenenden, aber man braucht den Montag zum Räumen und den Freitag zum erneuten Räumen … Anfangs der Krise war ich blockiert. Auweia, Mann und Kind zuhause, die Absagen der Veranstaltungen und die Ängste rundherum. Dann begann ich es als Chance zu sehen: Ich hab keine feste Deadline, darum wurde mir klar: Das Erscheinen der Bücher ist erst nach der Krise sinnvoll. Ich hab mehr Zeit!
Was ich damit sagen will: Wir Menschen neigen oft dazu, uns auf das Negative zu konzentrieren. Das ist überlebenstechnisch sinnvoll, aber wir müssen auch rational einen Punkt erreichen, wo wir sagen: Hey, ich hab grad alles und dazu noch Freizeit! Oder: Hey, ich kann dieses Problem gerade nicht lösen! Ich muss aufhören, daran zu knabbern. Was man nicht ändern kann, das muss man hinnehmen. Erst, wenn man sich nicht mehr vor Angst zerfrisst, hat man Platz für Lösungen, Veränderungen.
Mein Tipp: Mach etwas, was du noch nie gemacht hast! Sport, ein albernes Video, einen Online-Video-Chat oder lern etwas mit einer kostenlosen App, irgendwas. Oder plane eine Urlaub, ob du ihn dir leisten kannst oder nicht! Schau dir Orte per google maps an und träum einfach davon! Koche etwas Exotisches! Nutze die Zeit, um etwas Außergewöhnliches zu machen.

Welche Art von Unterstützung brauchst du bzw. was wünschst du dir von deinen Mitmenschen?

Ich brauche Konsens und gute Nachrichten. Ich umgebe mich gerne mit Menschen, die machen statt labern. Ich brauche nur ab und an jemanden, der schlicht zuhört. Ich wünsche mir von meinen Mitmenschen, dass sie tatsächlich kapieren, wie Zuhören und ein offenes Ohr funktioniert. Wenn wir alle Empathie lernen würden, so wie wir Mathe eingepaukt bekommen, dann wäre die Welt ein besserer Ort. Ich erwähnte schon das „Gehen in fremden Schuhen“. Wir sollten immer darüber nachdenken, wie es unserem Gegenüber geht. Erst klein, Partner, Familie, dann größer: Nachbarn, Freunde. DAS sind die Menschen, die für das echte, reale, tatsächliche Leben wichtig sind. Viele kranken arg an den übergeordneten Ebenen: Politik und Welt. Sie vergessen dabei, auf ihre eigene geistige Gesundheit und eine gute Umgebung zu achten.
Ich wünsche allen, dass sie gut durch diese Krise kommen, Chancen entdecken oder Dinge gehen lassen, die dadurch zuende gehen. Ich wünsche allen, dass sie aufgefangen werden in einem Netzwerk, welches sie sich gebildet haben.