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Jeannette Hagen

Jeannette Hagen – Autorin, Speakerin und Coach, Kunst für Demokratie gUG

Wie gehst du mit der aktuellen Situation um und wie geht es dir?

Es geht mir gut. Ich habe das Glück, dass ich seit vielen Jahren im Home-Office arbeite. Ich bin es gewohnt, wenn Kinder um mich herum sind. Dadurch belastet es mich nicht, dass die Schulen geschlossen sind. Ich sehe auch eine Chance in der Entwicklung. Die Lehrer der Schule meiner jüngsten Tochter haben sich mit den Kindern digital vernetzt, das ist eine aufregende Sache und macht den Kindern unglaublich viel Spaß. Ich denke, dass wir insgesamt gestärkt aus dieser Krise hervorgehen. Also, ich hoffe es. Sorgen bereitet mir ein bisschen die Frage, ob all die Maßnahmen, die jetzt auf der überregionalen Ebene umgesetzt wurden, also zum Beispiel die Abschottungspolitik, die Grenzschließungen, die Einschränkung der Bewegungsfreiheit etc. auch in vollem Umfang wieder zurückgenommen werden. Was geschieht mit Europa? Lassen einige Staaten einfach ihre Grenzen zu? Was mich darüber hinaus sehr aufwühlt, ist die Lage auf den griechischen Inseln. Was dort abgeht, ist eine Katastrophe. Da misst die Politik mit zweierlei Maß. Deutsche werden aus der ganzen Welt wieder nach Deutschland eingeflogen und die Menschen auf Lesbos überlässt man eingesperrt in einem Camp ohne anständige Versorgung mehr oder weniger sich selbst. Das ist nicht nur rassistisch, das ist in meinen Augen ein Verbrechen. Hier werden Völkerrecht und Grundrechte gebrochen. Corona hin oder her.

Welche Tipps und Empfehlungen möchtest und kannst du aussprechen, damit wir alle die Situation und unseren Alltag meistern?

Besonnenheit ist eine gute Taktik. Nach dem Motto: Wenn man es sowieso nicht ändern kann, dann muss man auch nicht dagegen ankämpfen. Ich habe in den vielen Jahren im Home-Office gelernt, dass eine Tagesstruktur wichtig ist, sonst geht die Disziplin baden. Mit meinem generellen Verhalten richte ich mich an dem aus, was die Wissenschaftler sagen: Kontakte reduzieren, möglichst zuhause bleiben, jedenfalls tagsüber und abends. Morgens bin ich mit meinem Hund im Wald. Das tut mir und ihm gut. Natur und Spaziergänge beruhigen meine Nerven. Nicht alles zu lesen, Facebook und Twitter regelmäßig auszublenden, ist auch eine Maßnahme, die mir dabei hilft, die Besorgnis, die ich natürlich auch habe, nicht ausufern zu lassen.

Welche Art von Unterstützung brauchst du bzw. was wünschst du dir von deinen Mitmenschen?

Ich fände es klasse, wenn diese Hamsterei endlich aufhören würde. Die geht mir wirklich auf die Nerven, weil sie so absolut unnötig ist. Und vielleicht auch, weil ich entsetzt darüber bin, wie asozial sich manche Zeitgenossen verhalten. Aber solche Krisensituationen offenbaren eben den Charakter. Bei uns im Haus hängt ein Zettel, da haben einige Mieter ihre Telefonnummern angegeben und sich damit bereiterklärt, anderen im Notfall zu helfen. So etwas wärmt mein Herz und natürlich steht meine Telefonnummer auch auf dem Zettel. Insgesamt fühle ich mich gut informiert und auch gut versorgt. Wie oben schon angedeutet – mir wird in solchen Situationen immer bewusst, wie gut wir es hier haben. Wie behütet wir sind. Mir auszumalen, wie das wäre, über Monate bei jedem Wetter in einem kleinen Zelt mit meinen Kindern zu sitzen, kaum an frisches Wasser zu kommen oder überhaupt nicht zu wissen, wie mein Leben weitergehen wird, das übersteigt mein Vorstellungsvermögen und macht mich demütig. Ein bisschen mehr davon würde ich mir bei all denen wünschen, die hier gerade Toilettenpapier bunkern.