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Mikki Sixx

Mikki Sixx – Sozialarbeiter, Radiomacher und Musiker

Wie gehst du mit der aktuellen Situation um und wie geht es dir?

Ich liege mit der normalen Influenza derzeit im Bett und beschäftige mich mit Lesen, Podcasts hören, Ersatz-Radio-Shows am Rechner vorproduzieren und der Beobachtung des alltäglichen Wahnsinns, den Corona offensichtlich in meinen Mitmenschen auslöst. Wäre ich gesund, würde ich vermutlich genau dasselbe tun.
Bis auf die Symptome, wie erhöhte Temperatur, Schlappheit, Schnupfen und Husten, geht es mir ziemlich gut und ich sehe im Moment keinen Grund zur Panik. Wenn ich ehrlich bin, war es nur eine Frage der Zeit, bis es zu einer solchen Krise des globalisierten Turbokapitalismus kommt. Daher ist es auch eher eine Erlösung, denn ein Schrecken für mich, dass wir nun alle mitten in einem Endzeitfilm-Szenario sitzen, und in echt mit dessen Herausforderungen dealen müssen. Leider ohne Zombies und ohne offensichtliche HeldInnen oder Lovestories, und mit offenem Ende, aber dennoch ziemlich spannend, und, weil es ja in echt passiert, interaktiv.
Ich kann, nein ich muss sogar, mitmachen und Teil der Lösung und nicht des Problems werden! Dazu lasse ich die Dinge auf mich zukommen und versuche in meiner Arbeit, aber auch als Multiplikator, z. B. im Radio, zu helfen, die Krise zu überstehen.
Die Musik liegt derzeit auf Eis, weil Teile der Band in anderen Bundesländern und in Deutschland leben, und wir räumlich im Moment nicht zusammen kommen können. Sollte das länger als ein, zwei Monate andauern, werden wir uns via Technik behelfen müssen, um getrennt voneinander dennoch gemeinsam schreiben und proben zu können. Aber auch das wird gehen, wenns sein muss. Zum Glück haben wir gerade keine anstehenden Konzerte und unseren Albumrelease erst für Herbst 2020 geplant, so dass sich dieser Schaden in Grenzen hält.

Welche Tipps und Empfehlungen möchtest und kannst du aussprechen, damit wir alle die Situation und unseren Alltag meistern?

Auch wenn ihr nicht, wie ich, ohnehin krank seid: Bleibt zuhause und haltet euch an die Ausgangssperre und die staatlichen Vorgaben in dieser Notstandssituation! Schützt jene Menschen, die immuninsuffizient sind, Ältere in unserer Gesellschaft, aber auch euch selbst! Es geht jetzt um Einigkeit und Solidarität – beides Dinge, die uns in unserer spätkapitalistischen Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten fast schematisch abtrainiert worden sind und die der Staatengemeinschaft, der EU und auch jedem/jeder Einzelnen von uns jetzt scheinbar sehr sehr schwer fallen umzusetzen.
Spart euch Spekulationen, Verschwörungstheorien, Klugscheißereien und Relativierungen der Situation! Informiert euch und andere richtig, checkt Quellen gegen, bevor ihr Fake News und Halbwahrheiten weiter verbreitet. Nutzt die Zeit für Liegengebliebenes, entschleunigt, kommt zu euch selbst, und versucht vor allem mal, mit euch alleine klarzukommen! Es ist faszinierend, hinter die vom Wesentlichen ablenkende Fassade unseres derzeitigen sozialen und wirtschaftlichen Lebens blicken zu können. Nutzt die Erkenntnisse, die ihr jetzt gewinnt, um hernach radikal anders zu leben. Vergesst nicht, was ihr jetzt gerade dazu lernt, wenn es dann wieder alles den gewohnten Gang geht!

Welche Art von Unterstützung brauchst du bzw. was wünschst du dir von deinen Mitmenschen?

Ich wünsche mir weniger Egoismus, mehr soziale Intelligenz, weniger Panikmache, mehr Gemeinschaftssinn – auf individueller wie auf staatlicher Ebene. Ich wünsche mir einen gleichzeitigen, einigen und kompletten Shutdown – weltweit – für zwei bis drei Wochen, der das Virus für immer töten würde, wenn wir ihn als Weltgemeinschaft durchziehen würden!
Ich wünsche mir, dass eine der großen Lehren aus dieser Krise sein wird, dass wir alle helfenden (Krankenpflege, Sozialarbeit, Altenpflege etc.) und infrastrukturell essentiellen Berufe (Handel etc.) mehr wertschätzen als bisher und die Investitionen für diese Bereiche und die Gehälter der MitarbeiterInnen hinterher massiv erhöht werden, um das Kaputtsparen und Kapitalisieren einer Branche, die nicht mit Profitdenken geführt werden kann, weil sie eine soziale und keine wirtschaftliche Funktion in der Gesellschaft hat, wieder zu heilen.
Ich wünsche mir, dass wir uns von der derzeitigen, real existierenden Version des Kapitalismus verabschieden und uns hin zu einer Gesellschaftsform bewegen, die der Menschengemeinschaft und dem Schutz unseres Planeten dient und nicht dem sogenannten wirtschaftlichen Wachstum!
„Goldene Türme wachsen nicht endlos – sie stürzen ein!“ (Slime)