Veröffentlicht am

Nadine Berger

Wie gehst du mit der aktuellen Situation um und wie geht es dir?

Es geht mir insgesamt recht gut und dennoch bemerke ich eine deutlich erhöhte Grund-Anspannung. Aber wahrscheinlich ist das, gerade in einer unsicheren Situationen wie der derzeitigen, eine völlig normale Reaktion, ein Anspannen der Körper-Seele-Einheit, um für den Notfall bereit zu sein.
Familiär gesehen habe ich den Vorteil, dass meine große Tochter (17) auf ihren Bruder (11) aufpassen kann. Sie halten sich sogar inhaltlich an seinen Stundenplan, lernen gemeinsam, gehen zusammen joggen … Da bin ich wirklich stolz auf meine Große! Ein bisschen traurig ist, dass wir die Großeltern, die alle etwas weiter weg wohnen, nicht besuchen oder unterstützen können. Sollte das noch länger andauern, wird es schon hart für alle Beteiligten.
Da ich mich auf meine Tochter so verlassen kann, ist es mir auch möglich, meine Psychotherapeutische Praxis offen zu halten. Ich haben meinen Patient*innen frei gestellt, ob sie in die Praxis kommen wollen, wir telefonieren oder per red connect die Therapie fortsetzen. Einige meiner Patient*innen kämpfen sehr stark mit dieser Situation, sind beunruhigt, verängstigt und stark angespannt. Ich bemühe mich, da zu sein – realistisch zu informieren, zu beruhigen, gemeinsam Ideen zu entwickeln, Mut zu machen … Die Zeit wird zeigen, was weiter nötig sein wird.

Welche Tipps und Empfehlungen möchtest und kannst du aussprechen, damit wir alle die Situation und unseren Alltag meistern?

Es gibt sicher eine Menge von Tipps, die ich hier notieren könnte – aber was mir gerade besonders wichtig ist: Nur Mut! Macht auf Euch aufmerksam! Geht in Kontakt! Überwindet Eure Scham und sprecht andere Menschen an, dann, wenn Ihr Hilfe, Unterstützung oder einfach Gemeinschaft braucht, dann, wenn Ihr denkt, Sie könnten von Eurem Gegenüber benötigt werden, aber auch so … Jemandem zu sagen: „Ich bin da“ ist auch Stärkung, selbst dann, wenn meine Unterstützung nicht nötig wird!

Welche Art von Unterstützung brauchst du bzw. was wünschst du dir von deinen Mitmenschen?

Krisen sind Chancen. Wie unter einem Brennglas wird deutlich, was funktioniert und bleiben soll und was einer Veränderung bedarf. Krisen lassen uns erfahren, was wichtig ist und was wir loslassen können, ja vielleicht sogar endlich sollten. Wir alle sind verletzlich – wir alle brauchen andere Menschen, ja andere Lebewesen im weitesten Sinn. Ich würde mir wünschen, dass uns diese Krisen endlich bewusst werden lassen, dass Kooperation (nicht Konkurrenz), Mitgefühl und Solidarität unersetzbare Grundbausteine sind, ohne die ein Überleben, gleich gar nicht lebenswertes Leben, unmöglich sein wird. Mögen wir diese Grundbausteine, die sich in vielen kleinen und größeren Aktionen, Angeboten … gerade zeigen, in unseren Herzen verankern und über diese Zeit hinaus pflegen und wachsen lassen …