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Doreen Blasig-Vonderlin

Doreen Blasig-Vonderlin – Strafverteidigerin und Mitglied im Vorstand des MachtLos e.V. und des Leipziger Strafverteidiger e.V.

Wie gehst du mit der aktuellen Situation um und wie geht es dir?

Es geht mir und allen lieben Menschen um mich herum gut. Wie ich mit der aktuellen Situation umgehe? Zunächst vermutlich wie alle vernünftigen Menschen – Kontakte auf das Notwendigste beschränken, Händewaschen, Desinfizieren, mögliche Infektionsquellen meiden und alle in meinem Umfeld mit meinen Tipps bombardieren. Ich versuche weitestgehende Normalität zu leben in dieser speziellen Situation und verdeutliche mir immer wieder, dass es uns doch trotz aller Einschränkungen immer noch sehr gut geht; wir haben ein Dach über den Kopf, ein Gesundheitswesen, was immer noch gut funktioniert, müssen nicht hungern und auch eine leere Klopapierrolle ist nicht das Ende der Existenz!

Welche Tipps und Empfehlungen möchtest und kannst du aussprechen, damit wir alle die Situation und unseren Alltag meistern?

Ruhig bleiben! Erst nachdenken, dann handeln – und vor allem nicht immer nur zuerst an sich denken! Klar machen ungewisse Situationen Angst; aber diese Situation jetzt ist einfach eine noch nicht dagewesene Situation in dem Leben der meisten Menschen hier – es gibt keine in der Schublade liegenden Lösungen! Begreifen wir diese Lage als Chance, um uns endlich wieder zu besinnen, was das Leben ausmacht! Ich kann die Sorgen der Menschen (außer die um Klopapier) nachvollziehen, aber wir sollten uns von den Sorgen nicht unterkriegen lassen. Es wird ein Leben nach der Pandemie geben; wie dieses aussehen wird, liegt maßgeblich auch an uns!

Welche Art von Unterstützung brauchst du bzw. was wünschst du dir von deinen Mitmenschen?

Ich denke von mir, dass ich selbst keine Unterstützung brauche, kenne aber viele Menschen, die gerade jetzt Unterstützung bitter nötig haben! Zunächst möge es irgendwo Vernunft und Hirn regnen. Vielleicht denken danach auch die Menschen, die nach wie vor sich treffen, in größeren Gruppen feiern und der Meinung sind: „Das Virus geht sie nichts an“ mal darüber nach, darüber nach, was ihr Verhalten für andere bedeutet. Und ich meine nicht nur die immer erwähnte Risikogruppe des Virus. Was ist mit den Menschen, die auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind, und die nun aufgrund der rasanten Verbreitung des Virus keine Beratungsstelle mehr aufsuchen können? Was ist mit den Obdachlosen, was sollen diese Menschen bei Ausgangsperre tun? Wenn die Tafeln schließen, wie sollen sich die Bedürftigen versorgen? Wenn keiner mehr Blutspenden kann, wie sollen Menschenleben gerettet werden? Was ist mit abhängig Erkrankten, für die viele Hilfsangebote schließen? Was ist mit Betroffenen häuslicher Gewalt, wenn Frauenhäuser nicht mehr besetzt sind? Noch nicht erwähnt habe ich die ohnehin am Limit arbeitenden Menschen im Gesundheitswesen, im Einzelhandel. Und auch – obgleich ich polizeilichen Maßnahmen schon aufgrund meiner Tätigkeit kritisch gegenüberstehe –, was ist mit den Menschen in den Sicherheitsbehörden? Was ist mit den Menschen im Gefängnis, die ihre Angehörigen nicht mehr sehen können und weitestgehend von den Informationen abgeschnitten sind? Und ich könnte diese Liste noch seitenweise fortsetzen!

Ich hoffe auf breite Unterstützung bedürftiger Menschen von denen, die es leisten können, während und insbesondere nach der Krise, auf allen Ebenen!

Solidarität sollte das Motto aller sein!