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Johannes Herwig

Johannes Herwig – Buchautor

Wie gehst du mit der aktuellen Situation um und wie geht es dir?

Ich habe einerseits vielleicht eine Art Glück, denn mein Arbeitsalltag ist jetzt erstmal nicht so drastisch anders als sonst. Als Autor bin ich ohnehin viel allein mit meinen Manuskripten, Home Office bin ich gewohnt. Andererseits trifft mich der Ausnahmezustand ebenso hart wie alle anderen Selbständigen auch: Ich kann im Moment weder Lesungen abhalten noch welche planen, denn niemand weiß genau, wie der Rest des Jahres aussehen wird. Klar, dass sich die Schulen und sonstige Veranstalter gerade sehr bedeckt halten mit den Vorbereitungen für die kommenden Monate. Die Kindbetreuung ist auch bei mir ein Thema, aber ich fahre – noch – ganz gut damit, jeden Tag ein paar Arbeitsblätter zu erstellen, mit denen mein Sohn selbständig den Vormittag verbringt, während ich am Schreibtisch sitze. Die Nachmittage sind wir dann zusammen, machen Spiele und bewegen uns im Freien. Ich versuche ohnehin, möglichst viel Zeit mit meinem Kind zu verbringen und sehe den allgemeinen Stillstand bezüglich der Quality Time mit Kind(ern) eher positiv – sofern niemand erkrankt, selbstverständlich. Die Gefahr zu erkranken und im Ernstfall nicht die erforderliche medizinische Betreuung zu bekommen, ist ja im Moment größer als sonst – aber auch das wachsende Bewusstsein für die Fragilität von Leben und letztlich auch der Fragilität von gesellschaftlicher Ordnung (nicht unbedingt im staatlichen, eher im empathischen/solidarischen Sinne) ist etwas, was ich durchaus (auch) positiv sehe. Da kann man derzeit doch einiges reflektieren. Gerade für die Menschen hier, die, so mein Eindruck, in irrem Wohlstand leben ohne sich das jeden Tag klarzumachen. Es kommen für viele Leute Fragen auf, die sie sich sonst nicht stellen, und das kann auch eine Chance für die Zukunft sein. Es ist für mich jedenfalls schwer vorzustellen, dass die Gesellschaft bald zur üblichen Tagesordnung übergehen kann bzw. will. Aber das ist jetzt nur eine Momentaufnahme meiner Gefühle und Gedanken.

Welche Tipps und Empfehlungen möchtest und kannst du aussprechen, damit wir alle die Situation und unseren Alltag meistern?

Wachsam sein gegenüber den Versuchen, rassistisches oder antisolidarisches Verhalten durch die Hintertür in die Gesellschaft zu streuen, vielleicht auch wachsam sein gegenüber den Versuchen, staatliche Kontrollmechanismen allzu unreflektiert als per se gut und auch in Zukunft als immer korrekt anzusehen. Damit meine ich ausdrücklich nicht das Krisenmanagement hierzulande an sich, das läuft im Großen und Ganzen schon in Ordnung. Aber es macht mich natürlich auch nervös, wenn zu jeder Tages- und Nachtzeit und überall Leute kontrolliert (oder in Zukunft gar festgenommen) werden. Ich denke, für eine gewisse Zeit kann und muss man die Allgegenwärtigkeit von Kontrolle akzeptieren (ohnehin sollten jetzt einfach mal alle an einem Strang ziehen), aber daraus sollte keine unreflektierte, unhinterfragte Normalität werden. Es ist meiner Meinung nach immer die Gefahr da, dass Dinge, die in Krisenzeiten durchgesetzt werden, später bleiben. Ansonsten ist genau jetzt die Zeit da, sich endlich mal mit all den Sachen zu beschäftigen, für die man sonst nie Muße hat: Nachdenken darüber, wie man leben will und was man eigentlich braucht und was man nicht braucht, endlich mal wieder öfter telefonieren/skypen und längere Gespräche mit all jenen führen, die man sonst nur im Vorbeigehen sieht, Nachbarschaftshilfe organisieren, die Lieferdienste der Buchläden nutzen und all die Bücher lesen, die man sonst nie gelesen hätte (oder nur zu einem Drittel) und so weiter. Und vor allen Dingen: Ruhe bewahren, Verschwörungstheorien die kalte Schulter zeigen, solidarisch bleiben. Und nicht zu stolz oder zu unsicher zu sein, um Hilfe zu bitten, wenn man sie braucht.

Welche Art von Unterstützung brauchst du bzw. was wünschst du dir von deinen Mitmenschen?

Behaltet den Kopf oben bitte. Die Situation zwingt uns alle umzudenken. Zum Beispiel die Haltung gegenüber Menschen, wie Krankenschwestern/pflegern oder Kassiererinnen/Kassierern, die sonst eher am unteren Ende der Wertschätzungskette stehen, zu überdenken und das ist absolut richtig so. Ich fände es gut, wenn dieses Bewusstsein auch Bestand hat. Vielleicht hilft dieser besondere, so vielleicht noch nie dagewesene Zustand, den eigenen Zynismus zu hinterfragen und vielleicht auch zu erkennen, was nicht zuletzt auch Kulturschaffende für eine Gesellschaft leisten. Es gibt ja jetzt schon wieder Stimmen, die in dieses „Hättet ihr euch mal einen ordentlichen Job gesucht“-Horn stoßen. Diese Leute sollten sich wirklich mal fragen, wo die Menschheit jetzt stehen würde, wenn alle Kunst- und Kulturschaffenden, Forschenden, Philosophierenden etc. sich immer nur „einen ordentlichen Job“ gesucht hätten. Zu guter Letzt: Wer im Speziellen gern mich unterstützen möchte, ist herzlich eingeladen, mein – hoffentlich – im Juni erscheinendes neues Buch vorzubestellen. Einzelheiten zum Roman sind auf meiner FB-Seite zu finden, Vorbestellung bitte per Nachricht ebendort. Aber das ist nur ein Angebot, ganz ehrlich, wenn ihr nur ein paar Groschen über habt, spendet sie lieber an das Flüchtlingslager in Moria o. Ä., denn dort haben die Menschen wirklich nichts und sind von dem Virus noch viel schlimmer betroffen als wir hier.