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Ulrike Nimz

Ulrike Nimz – Journalistin, Süddeutsche Zeitung

Wie gehst du mit der aktuellen Situation um und wie geht es dir?

Mir gehts gut. Ich arbeite schon länger im Home Office, weil mein Partner zur Risikogruppe gehört. Er darf einfach keine Lungenentzündung bekommen. Also gehe ich meist sehr früh oder sehr spät einkaufen und recherchiere bis auf Weiteres vom Schreibtisch aus, was schon eine Umstellung ist. Normalerweise reise ich viel und rede lieber von Angesicht zu Angesicht mit Menschen. Für viele Journalisten ist das ja auch eine Copingstrategie: Die Krisen dieser Welt „auf Zeile“ bringen, sie für den Moment auf ein begreifbares Maß zurechtstutzen.

Welche Tipps und Empfehlungen möchtest und kannst du aussprechen, damit wir alle die Situation und unseren Alltag meistern?

Mir ist klar, dass ich privilegiert bin, in meiner Balkon-Altbauwohnung, mit festem Gehalt und drei Streaming-Abos. Einige meiner Freunde sind DJs, Clubbetreiber, Speakerinnen, Krankenschwestern. Sie müssen wegen Corona schon jetzt um ihre wirtschaftliche Existenz oder ihre Gesundheit fürchten. Was soll ich denen raten; ich kann nur fragen: Braucht ihr was? Auch ich habe Angst, mich und meine Lieben anzustecken. Phantomhalskratzen und sonstigen hypochondrischen Anfällen begegne ich mit wahrscheinlich sinnlosen Routinen: Nasendusche morgens und abends. „Nase spülen, besser fühlen“ – works for me. Ansonsten facetime ich gegen Isolationsgefühle und pflege einen Christian-Drosten-Crush. Manchmal schlafe ich zu seinen Berichten über Rhesusaffen und Durchseuchungsraten sogar ein.

Welche Art von Unterstützung brauchst du bzw. was wünschst du dir von deinen Mitmenschen?

Auf unserem Innenhof haben gestern mehrere Familien gemeinsam ein großes Lagerfeuer veranstaltet. Ja, der Frühling ist da, aber ich kann einfach nicht verstehen, wie man in Rudeln Bratwürste auf den Grill knallen kann, während in Italien Militärkonvois die Toten aus der Stadt schaffen. Diese Ignoranz macht mich genauso ratlos wie Menschen, die ins Internet schreiben, dass sie den Hausarrest eigentlich ganz schön finden, weil mehr Zeit für die Kleinen, Yoga auf der Dachterrasse, und endlich mal Camus‘ „Die Pest“ lesen. Die Lage wird auch hierzulande sehr schnell sehr ernst werden. Ich würde mich freuen, wenn künftig alle ein bisschen mehr aufeinander Acht geben und das tun, was Experten und Politik raten: auf Distanz gehen – und zwar physisch, nicht sozial.