Veröffentlicht am

Nicole Lydia Endriss

Nicole Lydia Endriss – Graveurin A Bijouterie bei BlueSign

Wie gehst du mit der aktuellen Situation um und wie geht es dir?

Zuerst einmal war das Ganze eine recht ungewohnte Situation. Ich würde sagen, der Mensch ist ein Stück weit ein „Gewohnheitstier“, alles, was man von Kind an gewohnt war und eigentlich auch als selbstverständlich erlebt hat, ist plötzlich anders. Das Zeitmanagement und damit der komplette Tagesablauf, der ja bei manchen auch komplett zum Erliegen gekommen ist. Die Höflichkeit im Miteinander und im Umfeld, was auch letztendlich mit Umgangsformen einhergeht – alles plötzlich anders. Anfangs musste ich mich ein Stück weit selbst ermahnen bzw. stoppen oder man wurde von anderen daran erinnert. Keine Küsschen zur Begrüßung, keine Umarmung, nicht einmal die Hand geben – Abstand halten. Alles was einem zuvor als unhöflich ausgelegt wurde, ist nun schon fast normal. Die anfängliche Verunsicherung weicht Vorsicht und soll schützen und trotzdem sollte man seine Menschlichkeit behalten. Und was macht diese eigentlich aus? Doch eigentlich die sozialen Kontakte, gemeinsame Momente und Nähe, die Freiheiten, seine Zeit gestalten zu können, leben und arbeiten, ohne sich eingeschränkt zu fühlen. Vieles ist momentan einer Angst gewichen. Viele machen sich Zukunftssorgen. Viele wissen gar nicht, was sie mit der vielen Zeit anfangen sollen. Ich versuche, einen Teil der Zeit kreativ zu nutzen und Liegengebliebenes aufzuarbeiten.
Ich lebe in Büsingen, einer Enklave. Büsingen liegt im Schweizer Staatsgebiet und gehört zu Deutschland. Wir erleben zudem die Grenzsituation. Wir dürfen die Grenzen passieren und Deutsche, die zum Arbeiten in die Schweiz müssen, ebenso. Alle anderen nicht. Schweizer dürfen nicht mehr nach Deutschland einreisen und umgekehrt. Wir in Büsingen sind durch unsere Sondersituation eine Ausnahme. Die Grenzen werden hart kontrolliert und ich glaube, ich habe seit Jahren nicht mehr so oft meinen Ausweis zeigen müssen, wie in den letzten 2 Wochen.
Was die direkte Schweizer Umgebung und unsere Insel darin angeht, so muss ich sagen, ich erlebe die Menschen als vorbildlich. Ich glaube, jedem ist daran gelegen, möglichst bald wieder zur Normalität zurückzukehren.

Welche Tipps und Empfehlungen möchtest und kannst du aussprechen, damit wir alle die Situation und unseren Alltag meistern?

Tipps zu geben möchte ich mir eigentlich nicht rausnehmen, wir ticken schließlich alle unterschiedlich. Ich denke, jeder muss da ein Stück weit seine eigene Form finden, mit dem letztendlich gemeinsamen Ziel, gewisse Regeln einzuhalten und damit auch das Risiko einzugrenzen.
Ich mache mich nicht verrückt, was zur Zeit passiert, haben wir als Einzelne nur bedingt in der Hand. Ich denke, man sollte versuchen für sich selbst das Positive daraus zu ziehen. Vielleicht in allen Bereichen auch dem Alter gegenüber wieder ein bisschen achtsamer zu werden. Sich in all der sonst so schnelllebigen Zeit bewusst machen, wie fragil das Leben an sich ist und die Beziehung zu anderen Mitmenschen. Die gemeinsame Zeit und all die Vorzüge und den Luxus, den wir haben, bewusster wahrnehmen und zufriedener sein. Miteinander wirklich als ein Miteinander erleben. Und vor allem in allen Zeiten nie seine Menschlichkeit verlieren. Ich konnte schon erleben, dass es Menschen gibt, die andere nun in dieser Situation fast feindselig behandeln – aus Angst. Das wäre für mich nicht der richtige Weg.

Welche Art von Unterstützung brauchst du bzw. was wünschst du dir von deinen Mitmenschen?

Unterstützung? Bekomme ich selbst vor allem von meinem Partner und versuche ich viel mehr anderen zu geben. Meinen Eltern beispielsweise, indem sie nicht unnötig für Einkäufe aus dem Haus müssen, da sie ebenfalls zur Risikogruppe zählen. Meinen Kindern, die sich bisher vorbildlich an die Regeln halten, was Kontakte außerhalb des direkten Umfelds angeht, auch wenn ich spüre, dass es ihnen fehlt. Und ich versuche Positivität auszustrahlen …
Was ich mir von meinen Mitmenschen wünsche? Nicht mehr als ich mir sonst auch wünschen würde. Mehr Achtsamkeit und Respekt im Miteinander, egal, woher man kommt oder welcher Nationalität man angehört. Im Großen und Ganzen ist doch alles verknüpft miteinander, eine lange Kette, die ohne jedes einzelne Glied darin nicht mehr halten würde.