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Michael Lindner

Wie gehst du mit der aktuellen Situation um und wie geht es dir?

Es ist etwas ambivalent. Zum einen interessiere ich mich für die erschütternden Fakten. Besonders aus Italien, der Heimat meines Urgroßvaters. Zum anderen versuche ich die Situation für mich selbst zu relativieren. Und wogegen ich gegenwärtig durch meinen Job finanziell abgesichert bin, kann meine Frau seit Montag ihrer Arbeit als Tanzpädagogin in den Kitas von Leipzig und Markkleeberg nicht mehr nachgehen. Auch sie ist als Selbstständige von der Krise betroffen.

Welche Tipps und Empfehlungen möchtest und kannst du aussprechen, damit wir alle die Situation und unseren Alltag meistern?

Haltet Abstand voneinander und bezahlt bargeldlos. Und dann bedankt Euch bei allen, die dafür sorgen, dass unser Leben trotz der Coronaviruskrise weitergeht. Hände waschen. Gespräche per Telefon oder Skype. Gegenseitig Nachrichten schreiben mit aufmunternden Worten und Tipps für eine sinnvolle Beschäftigung daheim. Lesen, Schreiben, gesundes Essen mit viel Vitaminen und ein paar sportliche Übungen. Aber, verliert bei allem nicht die Probleme aus den Augen, die durch die Pandemie zurzeit überlagert werden. Syrienkrieg, Flüchtlinge, soziale Ungerechtigkeit, die Spaltung der Gesellschaft.

Welche Art von Unterstützung brauchst du bzw. was wünschst du dir von deinen Mitmenschen?

Besonnenheit ist das oberste Gebot. Und, alle klugen Menschen sollten jetzt im Homeoffice ihre Gedanken für die Zeit nach der Pandemie aufschreiben und achtgeben, dass die jetzigen richtigen Einschränkungen ausschließlich für die Eindämmung der Ausbreitung der Pandemie genutzt werden. Und so stimme ich mit meiner Frau überein, dass in dieser Krise die Chance besteht, die Gesellschaft neu zu ordnen. Also, deshalb bleibt und werdet gesund. Nicht nur in Leipzig, in Deutschland und Europa, sondern auf der ganzen Welt.

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Markus Rennhack

Markus Rennhack – Musiker, Kick The Flame Publishing

Wie gehst du mit der aktuellen Situation um und wie geht es dir?

Ich versuche das Beste daraus zu machen, wobei das natürlich eine Binse ist. Niemand wird versuchen, das Schlimmste daraus zu machen, jedenfalls nicht bewusst. Ich bin im Home-Office, genau wie meine Partnerin. Wir haben unsere beiden Kinder vergleichsweise früh, aber realistisch betrachtet eigentlich trotzdem viel zu spät aus der Kita rausgenommen. Das als „kognitive Dissonanz“ bekannte Phänomen, einerseits zu wissen oder wenigstens zu ahnen, wie die Situation tatsächlich ist und was zu tun wäre, andererseits aber trotzdem an den Gewohnheiten festhalten zu wollen, das hat natürlich auch vor mir nicht haltgemacht. Es erinnert mich an die beiden anderen Umstellungen in meinem Leben – Verzicht auf Fleisch und das Abschaffen unseres Autos –, die ich ähnlich zögerlich vor mir hergeschoben hatte und rückblickend denke, dass das nun wirklich eher hätte passieren können. Wenn du mich also fragst, wie ich jetzt mit der Situation umgehe, dann ist die Antwort zum Teil, dass ich versuche, meinen Ärger über all die Leute, die den Ernst der Corona-Krise noch nicht erfasst haben, herunterzuschlucken. Been there, done that.
Uns selbst geht es gesundheitlich und auch mental im Moment noch gut. Wir gehören auch nicht zur Hauptrisikogruppe. Es ist aber schon hart, dem Umstand ins Auge zu blicken, dass wir Oma und Opa und vor allem die Uropas und -omas jetzt für eine sehr lange Zeit nicht mehr besuchen können. Und es ist auch eine krasse Herausforderung, sämtliche Arbeit daheim mit beschränkten Ressourcen und mit tobenden Kindern zu organisieren. In meinem Fall kommt noch akute Existenzangst dazu, denn als freier Musiker und als Verlagsmitarbeiter bin ich natürlich mit voller Wucht vom vollständigen Erliegen des Kulturbetriebs betroffen.

Welche Tipps und Empfehlungen möchtest und kannst du aussprechen, damit wir alle die Situation und unseren Alltag meistern?

Speziell für alle, die mit Kindern daheim sind: Wir fahren bislang recht gut damit den Tages- und Wochenablauf zu strukturieren. Wir haben uns nach den ersten beiden Tagen zu viert hingesetzt und gemeinsam überlegt, was wir wann tun wollen bzw. müssen. Es war uns wichtig, dass die Knirpse (bei uns drei und sechs Jahre alt) hier mitentscheiden durften, z. B. bei der Liste von Mahlzeiten, die wir jetzt abarbeiten. Zu unserem Ablauf gehört ein Spaziergang vormittags, selbstverständlich in großem Bogen um Spielplätze und ähnliches. Ein guter Trick ist, mit Laufrad und Fahrrad loszuziehen, da sie dann die Hände am Lenker haben und nicht erst an allem und dann im Gesicht. Wir haben außerdem auch eine Hörspielstunde nach dem Mittagessen etabliert, quasi als Ersatz für den Mittagschlaf, den unsere Kinder wie so viele andere irgendwie nur in der Kita hinbekommen, nie zuhause.
Das leidige Händewaschenproblem ist nicht zu unterschätzen. Bei der Happy-Birthday-Methode konzentrieren sich die Knirpse aufs Singen und vergessen das Rubbeln. Beim Sekundenzählen konzentrieren sie sich aufs Zählen und schrubbeln immer die gleiche Stelle. Wir haben also auch hier den Ablauf strukturiert und zählen für Handflächen und jeweils Handrücken separat bis 10, danach wird jeder Finger sauber gemacht. Das funktioniert sehr gut und scheint für die beiden so eine Art Spiel zu sein.
Damit wir als Eltern nicht die ganze Zeit im Kinderbespaßungsmodus verharren müssen, haben wir drei feste Tage in der Woche, an denen die Kinder auf Netflix oder ähnliches Kinderprogramm schauen dürfen. Natürlich nicht den ganzen Tag, aber schon lang genug, um daneben was zu schaffen.

Welche Art von Unterstützung brauchst du bzw. was wünschst du dir von deinen Mitmenschen?

Meine Branche hat in dieser Situation ein dreifaches Problem: Erstens haben wir seit gut zwanzig Jahren halbherziger und teils unterbliebener Regulierung der digitalen Märkte mitansehen müssen, wie sich ein Onlinemarkt für unsere Musik etabliert, an dessen Wertschöpfung wir so gut wie nicht teilnehmen. Anders gesagt: Es wurde und wird sehr viel Geld mit der Nutzung von Musik verdient, aber wir bekommen nur Peanuts ab. Das Offline-Geschäft ist also die Haupteinnahmequelle und die bricht jetzt in großen Teilen komplett weg. Nachfrage online kann das nicht mal ansatzweise kompensieren.
Zweitens gibt es folglich auch keine Rücklagen, insbesondere nicht bei Künstlern. Wir wirtschaften alle extrem prekär. Erfolg heißt oft lediglich, dass man nicht auf abhängige Beschäftigung angewiesen ist. Die Brotjobs sind aber trotzdem divers gestreut. In der aktuellen Krise brechen aber auch diese Kontingenzpläne reihenweise weg. Die eigene Tour wird abgesagt, die Tour der anderen, wo man als Live-Musiker gebucht war, fällt ebenfalls aus und Instrumentenunterricht wird auch gecancelt. Wir haben von Jetzt auf Gleich eine katastrophale Lage.
Drittens sind viele unserer stabileren Einkünfte von Verwertungsketten abhängig, die nun ebenfalls zusammenbrechen. Venues, die jetzt pleitegehen, können folglich auch nicht die Lizenzen für bereits gespielte Konzerte bezahlen. Wir haben also nächstes Jahr zusätzlich zu den Tantiemenausfällen wegen Konzertabsagen auch noch eine niedrigere Tantiemenerwartung für die paar Shows, die Anfang des Jahres gelaufen sind. Ähnliches auch bei der Rundfunktantieme für die glücklichen unter uns, die ab und an in TV und Radio stattfinden: Die Wirtschaftskrise sorgt für Zurückhaltung bei der Werbewirtschaft und mithin für weniger Einnahmen bei den Sendern und entsprechend auch für weniger Tantieme. Kurzum – wir werden zusätzlich zur jetzigen Katastrophe dann nächstes Jahr eine zweite Welle erleben, die insbesondere Autoren und Verlage trifft, die aber heute bereits dazu führt, dass bspw. Bands keine Vorschüsse mehr bekommen, gerade, wo sie am notwendigsten wären. Die GEMA springt hier jetzt dankenswerterweise mit Vorauszahlungen ein, hat aber logischerweise auch nur begrenzte Mittel für eine begrenzte Zeit.

All das lässt sich nicht mit Krediten heilen. Wir brauchen Zuschüsse und wir brauchen die Sicherheit, dass alle Bereiche des hochkomplexen Marktes die Krise überleben, denn alles hängt mit allem zusammen. Der Deutsche Musikrat fordert 1000 Euro monatliches Grundeinkommen für alle Freiberuflicher in der Kultur- und Kreativwirtschaft. Das wäre absolut hilfreich, geht mir aber noch nicht weit genug. Wir brauchen das für alle Bürger, mindestens solange drastische Einschränkungen verhängt bleiben. Denn niemand kann ernsthaft eine Bedürfnisprüfung durchführen. Und erst recht sollte niemand sich die Entscheidung darüber anmaßen, wessen Existenz gesichert werden soll. Mit Bedingungslosem Grundeinkommen hätten wir eine Soforthilfe für alle, die über die Krise hinaus gleich als Konjunkturprogramm weiterwirkt. Denn was bringt es uns Musikern bspw., wenn die Clubs nächstes Jahr wieder öffnen, aber unser Publikum nach Kurzarbeit oder Privatinsolvenz kein Geld für Konzerttickets übrighat? Und diese Frage kann sich jeder Unternehmer stellen und stellt sich hoffentlich auch die Wirtschafts- und Finanzpolitik.

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Nadine Nonnenmacher

Nadine Nonnenmacher – wohnmacher, Südseite Leipzig

Wie gehst du mit der aktuellen Situation um und wie geht es dir?

Wir haben in der vergangenen Woche unsere beiden Geschäfte auf unbestimmte Zeit geschlossen und unsere Mitarbeiter in die Kurzarbeit geschickt. In dieser noch nie dagewesenen Situation fühlte ich mich zunächst sehr hilflos, weil man das Geschehen nicht beeinflussen kann, die Kontrolle verliert und nicht weiß, wie lange man das finanziell durchhält. Die letzten Tage vor der Schließung haben wir mechanisch alles abgearbeitet, was noch zu tun war: Es mussten sämtliche Warenlieferungen auf Eis gelegt werden; wir haben Kunden informiert, die Ware bestellt hatten, damit sie noch vor dem Shutdown abgeholt oder ausgeliefert werden konnte; es musste geklärt werden, was mit dem Personal passiert etc. Am ersten Tag zuhause hab ich mich gefühlt, als wäre ich in einem Gurkenglas eingesperrt und hab die Welt draußen nahezu bewegungsunfähig durch eine dicke Glasscheibe leicht verzerrt und voller dumpfer Geräusche wahrgenommen. Gleichzeitig schien die Sonne und das Wetter war frühlingshaft – surreal! Bereits am zweiten Tag zuhause aber begannen Ideen durch meinen Kopf zu schießen und ich wurde aktiv, um die Situation in den Griff zu bekommen. Gemeinsam mit der Familie und Freunden wurden Pläne geschmiedet, um das Schicksal in die Hand zu nehmen und das Beste aus der Situation zu machen. Dazu kamen sehr viele wunderbare Nachrichten via Instagram, Facebook und Whatsapp von treuen Kunden, die uns unterstützen wollten und uns Mut zusprachen.

Welche Tipps und Empfehlungen möchtest und kannst du aussprechen, damit wir alle die Situation und unseren Alltag meistern?

Mittlerweile versuche ich persönlich, das Ganze als Chance zu begreifen. Der Resetbutton wurde gedrückt, die Welt steht still und dreht sich doch weiter. Wir haben plötzlich alle Zeit und wissen gar nicht mehr, was das bedeutet. Wir haben die Chance, uns in dieser zwangsverordneten Auszeit Gedanken zu machen über uns, über andere, über das Miteinander. Ob wir geschäftlich die Krise finanziell überstehen können, weiß ich nicht und es hängt ganz stark davon ab, wie lange sie dauern wird. Viele werden es womöglich nicht schaffen, vielen wird die Existenz wegbrechen. Das ist bitter, aber in unserem Land nicht lebensbedrohlich. Das Gute am Bösen ist: Es betrifft ALLE und deshalb ist Solidarität gefragt – echte, bedingungslose Solidarität und kein „Man müsste eigentlich mal…“.

Welche Art von Unterstützung brauchst du bzw. was wünschst du dir von deinen Mitmenschen?

Die wirksamste Unterstützung wäre ein Mietkostenzuschuss für eine gewisse Zeit durch den Staat. Dabei hilft ein zinsloser Kredit nicht wirklich, denn er muss irgendwann zusätzlich zu den normalen Fixkosten zurückgezahlt werden. Auch der Verzicht eines Teils der Miete von Vermieterseite wäre äußerst hilfreich, denn gerade in der Innenstadt sind die Mieten brutal und man hält ohne Umsatz nur kurze Zeit durch. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, alle unsere lieferbaren Produkte online anbieten zu können und ich hoffe sehr darauf, dass die LeipzigerInnen ihre Dinge, die sie in den nächsten Wochen brauchen, auch bei Leipziger Shops online kaufen, um damit deren Existenz zu retten und später dann auch diese Läden wieder besuchen zu können. Ich wünsche mir einen breiten Support für die lokalen Geschäfte, die momentan alles daran setzen, ihre Kunden zu beliefern und ihre Existenz zu sichern.

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Küf Kaufmann

Küf Kaufmann – Direktor Ariowitsch-Haus e.V. – Zentrum Jüdischer Kultur

Wie gehst du mit der aktuellen Situation um und wie geht es dir?

Wenn man der Vorsitzende einer Gemeinde ist, wo 70 % der Mitglieder zur Risikogruppe gehören, da muss man bewusst und verantwortungsvoll handeln. Dies versuche ich fleißig, und wenn es klappt, dann geht es mir auch gut.

Welche Tipps und Empfehlungen möchtest und kannst du aussprechen, damit wir alle die Situation und unseren Alltag meistern?

Man muss die Hände waschen, Abstand voneinander halten und an die Zukunft denken! Ja, in der naheliegenden Zukunft, wo wir uns wieder umarmen können und wir uns zusammen schämen werden, weil wir mehr als es nötig war, das Klopapier gekauft haben.
Man soll die Möglichkeit nutzen, dass man nun mehr zu Hause bleibt. Die Notsituation schenkt uns die Zeit und wir sollten sie nutzen, unsere Schreibtische, unsere Schränke und hauptsächlich unsere Köpfe wieder in Ordnung zu bringen.

Welche Art von Unterstützung brauchst du bzw. was wünschst du dir von deinen Mitmenschen?

Was ich brauche, habe ich eigentlich schon: Solidarität von vielen Seiten. Ich wünsche den Menschen viel Kraft, die direkt an vorderster Front für unsere Gesundheit kämpfen. Und Unterstützung? Der Mensch bekommt sie immer, wenn der Mensch an Gutes glaubt.

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Eric Wrede

Eric Wrede – Lebensnah Bestattungen

Wie gehst du mit der aktuellen Situation um und wie geht es dir?

Wir versuchen sehr viel zu schauen, wo in unserem sozialen Umfeld Hilfe gebraucht wird. Menschlich und auch materiell. Einkaufen für die alten Tanten, so abgedroschen es klingt.

Ich versuche nur reduziert und ausgesucht Medien zu konsumieren, um die Unsicherheit von Informationen klein zu halten.

Welche Tipps und Empfehlungen möchtest und kannst du aussprechen, damit wir alle die Situation und unseren Alltag meistern?

Fragt aktiv nach, wer Hilfe braucht. Denen es am schlechtesten geht, sind häufig auch die, die Hilfegesuche nicht formulieren können.

Welche Art von Unterstützung brauchst du bzw. was wünschst du dir von deinen Mitmenschen?

Wir brauchen selber irgendwie nicht viel. Uns geht es gut. Ich habe aber das Gefühl, dass dieser Blick über den Tellerrand mit Zunehmen der Krise vielen schwieriger fällt.
As long as you standing …

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Arndt Ginzel

Arndt Ginzel – Journalistenbüro Ginzel Kraushaar Datt, ARD-Magazin Fakt und ZDF Frontal 21

Wie gehst du mit der aktuellen Situation um und wie geht es dir?

Solange ich mich journalistisch mit der Pandemie beschäftige, kann ich Emotionen ausblenden; ich konzentriere mich, wie bei jedem anderen Thema auch auf die Fakten. Das nimmt Corona den Schrecken. Nach der Arbeit ist es anders. Inzwischen meide ich Supermärkte. Vor dem Ausbruch habe ich gerne eingekauft. Normalerweise komme ich in meinem Markt immer mit einer älteren Verkäuferin ins Gespräch, oft lachen wir. Sie verkauft an einem Stand in der Mitte des Markes Grillhähnchen. Bei meinem letzten Besuch standen meiner Verkäuferin Tränen in den Augen: „Seien Sie froh, dass Sie immer erst so spät einkaufen. Sie glauben nicht, was sich hier am Tag abspielt“. Sie erzählte von einem Mann, der am Vormittag ein ganzes Regal mit Tomatensoße ausräumte. Neben ihm eine hilflose Rentnerin, der Mann habe sich geweigert, ihr auch nur ein Glas abzugeben. Als ich in die traurigen Augen meiner Verkäuferin blickte, spürte ich, wie in mir Angst und Zorn aufstieg.

Welche Tipps und Empfehlungen möchtest und kannst du aussprechen, damit wir alle die Situation und unseren Alltag meistern?

Wenn wir vermeiden wollen, dass Menschen sterben, müssen wir den direkten Kontakt meiden. Aber wir können auch etwas tun. Von meinen italienischen Freunden weiß ich, dass sie für ältere Menschen einkaufen und ihnen die Körbe vor die Tür stellen. Ganz nebenbei vertreibt Hilfe das Gefühl von Ohnmacht. Um nicht in Depression zu verfallen, stelle ich mir oft vor, wie es sein wird, wenn die Zahlen der Neuinfektionen sinken und die letzten schwer erkrankten Menschen die Kliniken verlassen. Ich sehe vor mir, wie sich die Menschen in den Armen liegen und drei Tage lang auf den Straßen feiern.

Welche Art von Unterstützung brauchst du bzw. was wünschst du dir von deinen Mitmenschen?

Empathie muss über Egoismus siegen. Noch benötige ich keine Unterstützung. Danke für die Nachfrage.

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Doreen Blasig-Vonderlin

Doreen Blasig-Vonderlin – Strafverteidigerin und Mitglied im Vorstand des MachtLos e.V. und des Leipziger Strafverteidiger e.V.

Wie gehst du mit der aktuellen Situation um und wie geht es dir?

Es geht mir und allen lieben Menschen um mich herum gut. Wie ich mit der aktuellen Situation umgehe? Zunächst vermutlich wie alle vernünftigen Menschen – Kontakte auf das Notwendigste beschränken, Händewaschen, Desinfizieren, mögliche Infektionsquellen meiden und alle in meinem Umfeld mit meinen Tipps bombardieren. Ich versuche weitestgehende Normalität zu leben in dieser speziellen Situation und verdeutliche mir immer wieder, dass es uns doch trotz aller Einschränkungen immer noch sehr gut geht; wir haben ein Dach über den Kopf, ein Gesundheitswesen, was immer noch gut funktioniert, müssen nicht hungern und auch eine leere Klopapierrolle ist nicht das Ende der Existenz!

Welche Tipps und Empfehlungen möchtest und kannst du aussprechen, damit wir alle die Situation und unseren Alltag meistern?

Ruhig bleiben! Erst nachdenken, dann handeln – und vor allem nicht immer nur zuerst an sich denken! Klar machen ungewisse Situationen Angst; aber diese Situation jetzt ist einfach eine noch nicht dagewesene Situation in dem Leben der meisten Menschen hier – es gibt keine in der Schublade liegenden Lösungen! Begreifen wir diese Lage als Chance, um uns endlich wieder zu besinnen, was das Leben ausmacht! Ich kann die Sorgen der Menschen (außer die um Klopapier) nachvollziehen, aber wir sollten uns von den Sorgen nicht unterkriegen lassen. Es wird ein Leben nach der Pandemie geben; wie dieses aussehen wird, liegt maßgeblich auch an uns!

Welche Art von Unterstützung brauchst du bzw. was wünschst du dir von deinen Mitmenschen?

Ich denke von mir, dass ich selbst keine Unterstützung brauche, kenne aber viele Menschen, die gerade jetzt Unterstützung bitter nötig haben! Zunächst möge es irgendwo Vernunft und Hirn regnen. Vielleicht denken danach auch die Menschen, die nach wie vor sich treffen, in größeren Gruppen feiern und der Meinung sind: „Das Virus geht sie nichts an“ mal darüber nach, darüber nach, was ihr Verhalten für andere bedeutet. Und ich meine nicht nur die immer erwähnte Risikogruppe des Virus. Was ist mit den Menschen, die auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind, und die nun aufgrund der rasanten Verbreitung des Virus keine Beratungsstelle mehr aufsuchen können? Was ist mit den Obdachlosen, was sollen diese Menschen bei Ausgangsperre tun? Wenn die Tafeln schließen, wie sollen sich die Bedürftigen versorgen? Wenn keiner mehr Blutspenden kann, wie sollen Menschenleben gerettet werden? Was ist mit abhängig Erkrankten, für die viele Hilfsangebote schließen? Was ist mit Betroffenen häuslicher Gewalt, wenn Frauenhäuser nicht mehr besetzt sind? Noch nicht erwähnt habe ich die ohnehin am Limit arbeitenden Menschen im Gesundheitswesen, im Einzelhandel. Und auch – obgleich ich polizeilichen Maßnahmen schon aufgrund meiner Tätigkeit kritisch gegenüberstehe –, was ist mit den Menschen in den Sicherheitsbehörden? Was ist mit den Menschen im Gefängnis, die ihre Angehörigen nicht mehr sehen können und weitestgehend von den Informationen abgeschnitten sind? Und ich könnte diese Liste noch seitenweise fortsetzen!

Ich hoffe auf breite Unterstützung bedürftiger Menschen von denen, die es leisten können, während und insbesondere nach der Krise, auf allen Ebenen!

Solidarität sollte das Motto aller sein!

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Anja Schliephake

Anja Schliephake – Deko Design

Entschleunigung. Dieses Wort bekommt eine neue Bedeutung für mich.
Mein Lebensstil gleicht eigentlich eher einer wilden Raserei, teilweise bis zur körperlichen und seelischen Erschöpfung. Ich lerne gerade, gezwungener Weise, mit Ruhe und ohne Stress auszukommen. Das nehme ich als positiven Effekt aus dieser ganzen katastrophalen Lage.
Vorsicht und Hilfe sind gerade mein Motto und auch wenn alle Abstand halten, habe ich das Gefühl, dass man wieder näher zusammenrückt.
Ich bringe kein Verständnis auf für Menschen, die immer noch mit Ignoranz oder Spaß durch den Alltag schlendern.
Ich bin selbstständig. Werbung braucht in diesen Zeiten kaum jemand und dieser Zustand ist beunruhigend, da alle betrieblichen und privaten Kosten weiter laufen.
Auf der anderen Seite sage ich mir, diese Situation und diese Existenzangst erleben gerade viele Menschen. Wir sitzen sozusagen alle im selben Boot. Ich versuche, die Hoffnung nicht aufzugeben, dass bald wieder bessere Zeiten kommen und durchzuhalten. Wenn wir diese Krise überstanden haben, werden wir vielleicht ein anderes Lebensgefühl empfinden. Vielleicht!

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Ulrike Nimz

Ulrike Nimz – Journalistin, Süddeutsche Zeitung

Wie gehst du mit der aktuellen Situation um und wie geht es dir?

Mir gehts gut. Ich arbeite schon länger im Home Office, weil mein Partner zur Risikogruppe gehört. Er darf einfach keine Lungenentzündung bekommen. Also gehe ich meist sehr früh oder sehr spät einkaufen und recherchiere bis auf Weiteres vom Schreibtisch aus, was schon eine Umstellung ist. Normalerweise reise ich viel und rede lieber von Angesicht zu Angesicht mit Menschen. Für viele Journalisten ist das ja auch eine Copingstrategie: Die Krisen dieser Welt „auf Zeile“ bringen, sie für den Moment auf ein begreifbares Maß zurechtstutzen.

Welche Tipps und Empfehlungen möchtest und kannst du aussprechen, damit wir alle die Situation und unseren Alltag meistern?

Mir ist klar, dass ich privilegiert bin, in meiner Balkon-Altbauwohnung, mit festem Gehalt und drei Streaming-Abos. Einige meiner Freunde sind DJs, Clubbetreiber, Speakerinnen, Krankenschwestern. Sie müssen wegen Corona schon jetzt um ihre wirtschaftliche Existenz oder ihre Gesundheit fürchten. Was soll ich denen raten; ich kann nur fragen: Braucht ihr was? Auch ich habe Angst, mich und meine Lieben anzustecken. Phantomhalskratzen und sonstigen hypochondrischen Anfällen begegne ich mit wahrscheinlich sinnlosen Routinen: Nasendusche morgens und abends. „Nase spülen, besser fühlen“ – works for me. Ansonsten facetime ich gegen Isolationsgefühle und pflege einen Christian-Drosten-Crush. Manchmal schlafe ich zu seinen Berichten über Rhesusaffen und Durchseuchungsraten sogar ein.

Welche Art von Unterstützung brauchst du bzw. was wünschst du dir von deinen Mitmenschen?

Auf unserem Innenhof haben gestern mehrere Familien gemeinsam ein großes Lagerfeuer veranstaltet. Ja, der Frühling ist da, aber ich kann einfach nicht verstehen, wie man in Rudeln Bratwürste auf den Grill knallen kann, während in Italien Militärkonvois die Toten aus der Stadt schaffen. Diese Ignoranz macht mich genauso ratlos wie Menschen, die ins Internet schreiben, dass sie den Hausarrest eigentlich ganz schön finden, weil mehr Zeit für die Kleinen, Yoga auf der Dachterrasse, und endlich mal Camus‘ „Die Pest“ lesen. Die Lage wird auch hierzulande sehr schnell sehr ernst werden. Ich würde mich freuen, wenn künftig alle ein bisschen mehr aufeinander Acht geben und das tun, was Experten und Politik raten: auf Distanz gehen – und zwar physisch, nicht sozial.

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Thomas Oehring

Thomas Oehring – DigitalExplorer®, Buchautor

Wie gehst du mit der aktuellen Situation um und wie geht es dir?

Uns geht es gesundheitlich sehr gut und wir sorgen einfach dafür, dass das Leben weitergeht. Wir tragen ja beide die Verantwortung für einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und müssen sicherstellen, dass deren Arbeitsplätze auch nach der Krise noch sicher sind. Insofern arbeiten wir einfach jeden Tag weiter und tun, flexibel, alles dafür, damit wir alle gemeinsam diese Situation meistern.

Welche Tipps und Empfehlungen möchtest und kannst du aussprechen, damit wir alle die Situation und unseren Alltag meistern?

#Neuland bedeutet, sich in unbekanntem Terrain zu bewegen, ohne auf Routinen und Erfahrungen zurückgreifen zu können. Wir hören die Einschätzungen von Experten und müssen uns daraus, im Abgleich zu unseren eigenen Erfahrungen, Handlungsweisen zurechtlegen. Bisher galt diese Sicht für mich in erster Linie für die Digitale Transformation. Jetzt lerne ich, dass jede Situation, die uns unerwartet trifft, uns Sorge bereitet und uns herausfordert im Grunde mit den gleichen Mechanismen bewältigt werden muss.
Corona ist #Neuland der schlimmsten Sorte. Wir bewegen uns in vollkommen unbekanntem Terrain.
In dieser Erkenntnis liegt die Chance, mit den richtigen Verhaltensweisen und Haltungen möglichst gut durch diese Situation zu kommen. Es ist die Erkenntnis, dass Flexibilität, Mobilität und Neugier die Eigenschaften sind, die uns auch durch die Krise bringen werden. Moment mal, Mobilität? In einer Zeit, in den wir zuhause bleiben müssen, um Risikogruppen zu schützen? Absolut. Mobil zu sein im Sinne der Digitalen Explorer bedeutet, die gewohnte Komfortzone zu verlassen und physische Kontakte soweit irgend möglich zu reduzieren, auch wenn es uns schwer fällt oder die Ausstattung im Homeoffice nicht perfekt, sondern nur funktional ist. Mobilität bedeutet für mich auch geistig neue Wege zu bestreiten.
Wir werden diese Krise nur gemeinsam meistern, wenn wir flexibel unsere Gewohnheiten an die Erfordernisse anpassen. Dazu gehört gerade eben auch, körperliche Kontakte zu vermeiden, um Risikogruppen zu schützen.
Und wir werden lernen, durch Neugier Lösungen für praktische Herausforderungen zu finden. Wir lernen gerade, dass Dinge, die wir noch vor fünf Wochen für unmöglich hielten, jetzt Realität sind. Im Positiven wie im Negativen.
Wir lernen, dass Pragmatismus funktioniert und dass Lösungen nicht perfekt sein müssen. Wir fliegen gerade im Nebel, auf Sicht.
Das macht #Neuland aus. Flexibilität, Mobilität und Neugier werden uns gemeinsam durch die nächsten Wochen bringen.

Welche Art von Unterstützung brauchst du bzw. was wünschst du dir von deinen Mitmenschen?

Ich selbst benötige aktuell gar keine Unterstützung, weil wir stark genug sind, uns selbst helfen zu können. Das können aktuell aber nicht alle und darauf muss Unterstützung konzentriert werden. Deshalb schaue ich im Augenblick eher, wo ich helfen kann.
Was ich mir von meinem Mitmenschen erwarte, ist, rücksichtsvoll mit anderen umzugehen und die eigenen Maßstäbe nicht an andere anzulegen. Ja, es ist wichtig, physische Kontakte so weit es eben geht zu vermeiden. Wir können uns als Menschen aber nicht vollständig isolieren. Ich wünsche mir Rücksichtnahme auf Menschen, die „schwächer“ sind und Respekt vor der Lebenssituation anderer.